Auf den Spuren des Achal-Tekkiners

Seit etwa 42.000 Jahren gibt es menschliche Ansiedlungen in Zentralasien. Aber erst einige Jahrhunderte vor Christus wird eine Bevölkerung besonders erwähnt, die dieser Gegend einen unauslöschlichen Stempel aufdrückte: die Reitervölker der Steppen, Völker erst iranisch-indo-europäischen Ursprungs, dann die Völker mongolisch-türkischen Ursprungs. Was machte die Pferde so wertvoll für diese Völker? Die Antwort ist einfach: In Zeiten und Gegenden, in denen alle Arbeit und das Überleben ausschließlich auf Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer und Geschicklichkeit von Mensch und Tier beruhte, waren Pferde das Kapital schlechthin. Zudem ist die nomadische Lebensweise ungünstigen Umweltverhältnissen besonders ausgesetzt: wenn Krankheiten Teile der Herden dahinraffen, oder die Regenfälle plötzlich ausbleiben ist ein Überleben nur noch möglich durch Plünderung der Nachbarstämme, da keine eigenen Vorräte vorhanden sind. Die Notwendigkeit des Überfalls in finsteren Zeiten wurde mancherorts zur ,,Tugend", zum Recht des Stärkeren und ganze Weltreiche wurden erobert: Dschingis Khan z. B. begründete ein Reich das von China bis Mitteleuropa reichte. Ähnliche Bedingungen fanden sich auch im Nedschd, wo sich die Beduinen ein ausgesprochen leistungsfähiges Pferd züchteten: den Wüstenaraber. Wer die besten Pferde hatte, hatte auch die Zurück nach Zentralasien: Es galt also, leistungsfähige Pferde zu züchten, um das Überleben zu sichern und Machtansprüche stellen zu können.

Besonders berühmte und erfolgreiche Pferdezuchten unterhielten die Völker der Meder, Parther und Baktrier. Diese drei iranisch-indoeuropäischen Völker werden von den Autoren der Antike für ihre Pferdezuchten gepriesen, aber auch die Massageten und die Skythen lehrten als berittene Krieger die Perser und Griechen das Fürchten. Ab ca. dem 5. Jh. nach Christus besiedelten dann mongolisch-türkische Völker die Gebiete der Hochburgen antiker Pferdezuchten zwischen Kaspischem Meer und Issyk Kul See, vornehmlich die Turkmenen. Die Turkmenen blieben, und die heutige Hauptstadt Turkmenistans, Aschchabad, liegt unweit der antiken Stadt Nisa, wo die nisaiischen Pferde der Zeit des Dareios gezüchtet wurden (Dareios 522-486 v.Ch.). Zur Zeit des Dareios ist Nisa laut Herodot zu Medien gehörig. Später wird Nisa die Hauptstadt der Parther (Partherreich 3.Jh. v. Chr.- 3.Jhdt. n. Chr.). Und Turkmenistan ist bekannterweise die Heimat der Achal-Tekkiner Pferde, die Pferde des Stammes der Tekke, welche die Oase Achal bewohnen.Da leistungsfähige Pferde ein Grundstein für Macht und Einfluß waren, bemühten sich Herrscher aller Zeiten um ihren Besitz, und ließen es nicht an Einsatz und List fehlen um in diesen Besitz zu gelangen, und sie wurden als Zeichen besonderer Anerkennung verschenkt. Im Folgenden wollen wir einige Blicke werfen auf geschichtliche Ereignisse, die den Achal-Tekkiner und seine Vorfahren betreffen.
Persien und Medien waren eng miteinander verbunden, spätestens seit der Zeit des Kyros (558-529 v. C.). Kyros, genannt das Maultier, weil seine Mutter Mederin, Tochter des Königs Astyages, und sein Vater Perser war, eroberte Medien dank des Betreibens von Harpagos, der Reichsverwalter seines Großvaters war. Doch Kyros war (u. damit auch Medien) noch nicht im Besitz einer ausgezeichneten Reiterei. Kyros war der Reiterei des Lyders Kroisos (unser heutiges Wort Krösus stammt von ihm) unterlegen, und sandte deswegen seine Lastkamele den Reihen der Lydischen Reiter entgegen, da er wußte, daß Pferde Kamele dann fürchten, wenn sie sie nicht kennen.und siegte dadurch.

Bild oben: Achal-Tekkiner-Hengst Rustam - Hans Hutmacher, Gestüt Lindenhof / Schweiz

Dem Heer der Massageten (wie auch die Parther ein mit den Skythen verwandtes Volk) unter der Königin Tomyris ("ich will dich sättigen in Blut") unterlag Kyros nach gewaltiger Schlacht (Herodot) (486-465 v. Chr.)Xerxes hingegen war schon im Besitz der besten Pferde der damaligen Zeit, denn neben den Medern gehören auch schon die Parther und Baktrier zu den Völkern, die Abgaben an Persien leisteten und damit auch Truppen stellten (unter Dareios 30 000 baktrische Reiter). Xerxes ließ seine Pferde gegen die thessalischen Pferde, die besten Griechenlands antreten, und sie gewannen mit Abstand (nach B. L. Hendrichs).

Alexander der Große erhielt den Hengst Bucephalos als Geschenk, wahrscheinlich vom Händler namens Demaratos (Perser und Gastfreund seines Vaters) (nach Haefs, Alexander, 1992, Anhang).Nach der Eroberung Zentralasiens heiratete Alexander Roxane, die Tochter des baktrischen Königs.Insgesamt soll er 50.000 Pferde in Persien eingetrieben haben.

Wu Ti, chinesischer Kaiser der Han Dynastie, schickte 104 v. Chr. eine Delegation mit Gold und Kostbarkeiten nach Ferghana in das Königreich Wan, um die ,,blutschwitzenden himmlischen Pferde zu erwerben. Doch ohne Erfolg, und sicherheitshalber wurde gleich die ganze Gesandtschaft getötet. Doch Wu Ti war entschlossen und rüstete zum Beutezug mit mehr als10000 Soldaten und Reitern. Der König von Wan, Wugua, wurde getötet und 30 seiner reinrassigen Pferde sowie 3000 seiner Halbblüter traten den Weg nach China an, doch nur 1000 erreichten die chinesische Mauer. (siehe Internetseite: www.turanianhorse.org)

Crossus römisches Heer unterlag 53 v.Chr. den parthischen Reitern und deren für die Steppenvölker typischen Taktik der Scheinflucht.

Die Araber treffen in Zentralasien schon auf die Turkmenen, die ebenfalls überlegene Reiter sind (651, Araber in Merw).

Die Kalifen von Bagdad lassen sich von einer Leibgarde aus turkmenischen Reitern schützen.

Dschingis Khan erobert zwischen 1218 und 1223 das Gebiet zwischen Oxus und Jaxartes und damit die schnellen Rösser. Dschingis Khan besaß ein gut organisiertes Nachrichtenübermittlungssystem, Boten legten bis zu 500 km am Tag zurück. (übrigens auch schon die Perser besaßen 1500 Jahre vorher Boten, die als die schnellsten lebenden Wesen galten (Herodot)).

Von Schah Abbas (1582-1627 n. Chr., die Zeit in der die Kaukasusregion zwischen Persern und Türken aufgeteilt war) wird berichtet, daß er sein Leibpferd "Hindin" auf ,,höchst gerissene" Weise von den Türken hat stehlen lassen. Die Stute war imstande, am Tag über 200km zurück zu legen. Das Pferd war sicherlich gut bewacht.

Captain Byerley gelangte in den Besitz seines "Türken" wahrscheinlich 1689 vor Wien. Daheim wurde der Hengst dann einer der Stammväter des englischen Vollbluts und soll seinem Besitzer noch einmal in einer Schlacht das Leben gerettet haben.

Die Briten, die Indien, Pakistan und Afghanistan kolonialisierten, kamen über den Hindukusch nach Turkestan und in den Besitz von 200 bis 300 Stuten, die sie dann auf dem Seeweg nach Britannien, transportierten.

Katharina die Große beschenkte den Kanzler Fürst Kaunitz mit dem turkmenischen Pferd Turkman Atti, der dann im Friedrich-Wilhelm-Gestüt in Neustadt an der Dosse 400 Stuten deckte. Weitere 12 seiner Söhne, die in Trakehnen als Deckhengste standen, wurden einflußreiche Vererber in der deutschen Warmblutzucht. Nach den Schlachten von Jena und Austerlitz wurde Turkman Atti von den Franzosen beschlagnahmter war wahrscheinlich zurückgelassen worden.

Die russischen Truppen eroberten in den ca. l88O Turkmenistan. Der russische General Grodekoff (Lord Curzon) sprach vor gut 100 Jahren aus, was wohl viele Eroberer vor ihm und nach ihm dachten: "Wir sollten den Tekke nur die besten Hengste und Stuten wegnnehmen können - dann würden sie uns mit einem Schlage nicht mehr gefährlich sein."

Der Gouverneur Kuropatkin gründete 1897 das Gestüt Zakapiisky (später hieß es Komsomol; danach Nijasow Gestüt) und setzte den Kuban Kosaken Mazan als Leiter ein. Dieser erwarb den damals vierjährigen Hengst Boinou. der heute Ahnherr von 80% aller Achal-Tekkiner ist.

Stalin ließ die Achal-Tekkiner fast ausrotten (sie und die anderen Edelpferderassen galten als Zeichen der Bourgoisie und waren an- geblich auch untauglich für die Armee) Major Budjonny, (ob als Befehlsempfänger Stalins oder weil er selbst so dachte, ist unbekannt) kreuzte Achal-Tekkiner mit Donpferden.

Im Sommer 1935 unternahmen die Turkmenen einen bravourösen Ritt von Aschchabad nach Moskau über 4300 km, davon 360 km durch die Karakum Wüste, um auf die unübertroffenen Eigenschaften ihrer Pferde aufmerksam zu machen: Härte. Ausdauer und Schnelligkeit.

Bei der Parade nach dem 2. Weltkrieg 1945 ritt Marschall Schukow eines jener Distanzpferde von 1935: Arab. Eigentlich wollte Stalin selbst dieses Pferd reiten, doch er wurde abgeworfen, so der Kommentator eines Films.

Achal-Tekkiner wurden bald auch in Deutschland beliebt und es bildete sich ein kleiner Kreis von Züchtern. Unter diesen Pferden befanden sich einige bemerkenswerte Exemplare: Chorog, ein Hengst mit der Höchstnote in Typ und Exterieur, vielleicht der Beste seiner Generation wurde in Deutschland 30 Jahre alt und galt in Rußland eine Zeitlang als verstorben. Der Hengst Kervan, einer der letzten ohne jeden Tropfen fremden Blutes, stand in Deutschland aber wurde zum Decken nicht benutzt, ähnlich wie Sarsgyn, den die Russen für so gut hielten, daß sie ihn zurückleihen wollten, was aber nicht zustande kam.Mittlerweile gibt es ca. 2500 Achal-Tekkiner auf der Welt, davon über 100 in Deutschland, einige in der Schweiz, Holland, Frankreich, Italien und England, Spanien und Amerika.Eine Legende zum Schluß: Ein Achal-Tekkiner Hengst namens Akhal fand in anderen Pferden keinerlei gleichwertige Konkurrenz für Rennwettbewerbe, da er immer gewann; also ließ man ihn gegen einen Falken antreten. Auch bei diesem außergewöhnlichen Rennen siegte Akhal und seither erhalten Pferde dieser Rasse Vogelnamen.

Hans Hutmacher

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