
Rahvan
Die Rahvans, benannt nach ihrer Fähigkeit, im Rennpass (türkisch „rahvan“) zu
laufen, gibt es wahrscheinlich seit 800 Jahren (Rousseau und Le Bris, Paris
2014). Ihr Ursprung soll in den Bergen liegen, wo sie früher für den Transport
von Schmuggelware eingesetzt wurden und von den Reitern zum einen ihrer bequemen
Gänge wegen geschätzt waren, zum anderen, weil sie auf den langen Strecken nicht
ermüdeten. Rousseau und Le Bris schreiben in ihrem Buch über Pferde der Welt,
dass die Rahvans aus Kreuzungen von Anadolus und Caniks hervorgegangen sind. Den
türkischen Anadolus wiederum wird ein Alter von etwa 1000 Jahren nachgesagt. Sie
sollen ebenfalls aus Rassenkreuzungen entstanden sein, die im Umland der Türkei
verbreitet waren wie Turkmene, Perser, Karabagh, Achal-Tekkiner und Mongole. Bei
den Caniks herrscht keine Einigkeit darüber, ob sie als Varietät des Anadolu zu
sehen sind oder kaukasischen Kavalleriepferden entstammen.
Neben dem Pass ist den Pferden auch meist der Tölt angeboren, wird aber offenbar
heute bei ihren Reitern weniger geschätzt. Da die „Rahvans“ ähnlich wie Traber
nach einer Gangart zusammengefasst werden, bestehen sie heute aus mehreren
Typen, die sich je nach Herkunftsgebiet deutlich unterscheiden können. In der
Türkei vorwiegend in der Schwarzmeerregion, Aydin, Samsun, Ordu, Konya, Erzurum
und Kars gezüchtet, stammen nach Angaben türkischer Rennreiter etwa 20 Prozent
der importierten Rahvans aus Aserbaidschan, weitere werden aus Iran,
Afghanistan, Pakistan und Kirgisien eingeführt.
Die Pferde haben ein Stockmaß von ca. 1,39m bis 1,54m, kräftiges Fundament und
ebensolche Hufe. Sie kommen in allen Grundfarben, auch als Falben, vor. Ihr
Wesen ist freundlich, zudem sind sie leicht trainierbar und arbeitsfreudig. Der
manchmal etwas lange Kopf hat eine breite Stirn, große Augen und mittlange, oft
nach innen gebogene Ohren. Das Profil ist gerade, manchmal im unteren Teil
leicht ramsnasig und die eher kleinen Nüstern sitzen tief. Der Hals ist muskulös
und mittelang, oft tief angesetzt und geht in eine angemessen breite Brust über.
Die Pferde haben einen kurzen Rücken und eine runde oder schräg abfallende
Kruppe mit tief angesetztem Schweif.
Seit 2012 werden die Gangpferde in der Türkei von der Rahvan Föderation
registriert. Damit sie eingetragen werden, müssen sie Pass laufen können und ein
Stockmaß von 1,40m bis 1,50m haben. Außerdem wird ihre DNA erfasst. Für das
Exterieur gibt es ebenfalls Vorschriften, die in einem Stutbuch der Föderation
nachzulesen sind. Bisher sind etwa 1200 Rahvans eingetragen (Stand 10/2015). Nur
registrierte Rahvans dürfen an den türkischen Pferderennen teilnehmen. Je nach
Alter und Erfolgen beträgt die Renndistanz 700m bis 2500m, dabei erreichen die
Pferde Geschwindigkeiten von 45- 50 Kilometer pro Stunde. Eine weitere Kategorie
gibt es für die „Ithal“, das sind größere Passgänger aus Bulgarien.
Da Rennpasser auch heute noch von außen in die Türkei importiert werden, sind
weitere Gangpferderassen im Genpool der von der Föderation registrierten „Rahvans“
zu erwarten. In Aserbaidschan werden einige Passgänger als „Qubas und Shirvan“
bezeichnet, die aus den gleichnamigen Regionen stammen und aus der Zucht
landstämmiger Pferde hervorgehen. Möglicherweise haben alle diese Gangpferde
noch einen viel älteren, gemeinsamen Ursprung? Sicher nicht zufällig treten
sowohl bei den Rahvans als auch den Qubas zusätzliche, dem Sporn ähnliche jedoch
deutlich kleinere „Nebensporne“ auf der Innenseite der Fesselgelenke an den
Hinterbeinen auf. Diese können, ähnlich wie Griffelbein und Kastanie, als
Überbleibsel der beim Urpferd einst vorhandenen fünf Zehen gedeutet werden. Sie
sind bei allen bisher untersuchten rezenten Rassen noch nicht beschrieben
worden. Silke Dehe