Auf der Suche nach den Rahvans (weitere Bilder hier)

Anfang April war es soweit, Silke Dehe und ich starteten in Richtung Südosten:  Ziel: Türkei! Dort sollte es Passrennen mit türkischen Töltern geben–so lautete eine Nachricht auf der IG Karabagh-Homepage im Gästebuch aus dem Jahre 2007. Blauäugig wie wir waren, hatten wir außer einer  Telefonnummer von einer, die jemanden kannte, die wieder jemanden kannte… aber der Spruch ist ja bekannt  ;-)

"Schon" im Flugzeug begann unsere Recherche mit mehr oder weniger türkisch-deutschem Kauderwelsch und der ständigen Frage nach Pferden in der Türkei. Immerhin kannten wir den türkischen Ausdruck für Pferd: "at". Die Antwort war aber leider überwiegend „Nein, nie gehört“, trotzdem stellten wir fest: Türken sind gesprächig, freundlich und hilfsbereit. Dies war auch am Flughafen in Ankara so (leider kamen wir nicht nonstop zum Ziel): wir konnten den beiden deutsch sprechenden Türken vertrauen, lernten die nächsten türkischen Wörter (gül heißt Rose) und sie lotsten uns an unseren Anschlussflug nach Antalya.

Nach einer Nacht im gebuchten Hotel (nothing inclusive) besorgten wir uns eine Turkcell-Simcard, übernahmen unseren Hyundai Starex (Minibus) und stellten entsetzt fest, dass dort die Autos mit nur einem Tropfen Sprit übergegeben werden, um dann für umgerechnet  1,60  Euro pro Liter voll getankt zu werden. Teurer Spaß! Wir waren wild entschlossen, auch nicht einen Tropfen bei der Rückgabe des Autos an den Vermieter  übrig zu lassen!

Die mitgebrachte Telefonnummer von der, die jemand kennt, der jemand kennt, erwies sich als Treffer. Angelika wusste wirklich, wo zumindest Rahvan-Kenner zu finden waren. Gleich die nächste Telefonnummer war bombenrichtig! Wir landeten, nachdem wir an Ostern einen selbstverantwortlichen Streifzug durch die nähere Umgebung Alanyas unternommen hatten, und selbst nur vereinzelt (aber dafür mitten im Getümmel der Großstadt Alanya) Pferde angetroffen hatten, in „West-Virginia-City“, in der Nähe von Manavgat, einer im Westernstil erbauten  Ferienhausanlage mit einem „bunten“ Pferdemix aller Rassen: Araber-Berber, Paint, türkischen Töltern, Araber-Perser und Landrassenmixe.

Beate, so hieß die Chefin dort, hieß uns willkommen, zeigte uns ihre Pferde und fuhr mit uns zum Rahvan-Rennstall nach Side. Dort sollte auch am kommenden Tag ein Trainingsrennen stattfinden, das wir auf jeden Fall besuchen wollten.

Hasan, der Rennpferdeimporteur und Besitzer zeigte uns einige seiner Rennpferde (alles Hengste) und ließ auch zwei Pferde auf der Trainingsbahn vorführen. Es war deutlich zu sehen: alle Pferde gingen einen sauberen Pass im Renntempo (55 km/h Maximum) und einige liefen auch einen akzentuierten Tölt.  Da Hasan mit einer Deutschen liiert ist, sprach auch er deutsch und deshalb konnten wir uns gut verständigen. Hasan sagte uns, dass er die schnellsten Passgänger aus Afghanistan importiert (wobei der Import sich sehr abenteuerlich gestaltet), aber auch die Iraner hätten gute Rahvan-Pferde. Hier jetzt die Übersetzung des „Rahvan“: Rahvan bedeutet im eigentlichen Sinn: Gangart, bei der der Rücken nicht wackelt. Zusätzlich zu Rahvan gibt es auch den Yorga (wie bei den Aserbaidschanern), den Viertakt-Tölt. Auch dieser wird im schnellen Renntempo geritten. Bei den ausgeschriebenen Rennen ist beides erlaubt, lediglich ein dreimaliges Angaloppieren auf mehr als 20 Metern wird mit Disqualifikation bestraft. Ein solches Rennen ist auch auf youtube zu finden. Alle Pferde werden mit Kandare geritten, da der Rennpass nur schwer zu „zügeln“ ist.

Die Pferde selbst sind etwa 150 cm im Stockmaß, zierlich, quadratisch, mit stark abfallender Kruppe (typische Töltveranlagung). Viele tragen den Schweif beim Rennpass in waagerechter Haltung. Bei der Frage nach dem Preis, mussten wir schlucken: gute Rennpasser kosten etwa 10 bis 15 Tsd Euro. Aber da wir ja schon wussten: die guten kommen aus Afghanistan, lässt sich einiges nachvollziehen. Schade, dass wir zum Renntag selbst (das Rennen war am 11. April) nicht mehr da sein konnten. Unser Flieger war für den 09. 04. gebucht.

Auch beim zweiten Rennstall-Besitzer wurden wir freundlich empfangen, durften alles fotografieren und haben –soweit es unsere „Türkischkenntnisse“ erlaubten ;-) – auch Gespräche geführt. Lediglich unser Hyundai hatte sich vor der Stalleinfahrt ein bisschen im Dreck verhakt und musste mit vereinten Kräften frei gebuddelt werden.

Für den Tag drauf waren wir auf der Rennbahn in Side, nicht ohne zuvor noch beim dicht dabei liegenden antiken Side unsere Geschichtskenntnisse aufzufrischen und die uralten Gemäuer zu besichtigen. Die Rennbahn ist eine Ovalbahn mit einer Länge von 1050 m, die in den Küstensand geschoben wurde. Viel „Drumherum“ gibt es dabei nicht: keine Tribünen, keine Ställe, keine Kassenhäuschen, keine Verkaufsstände, nichts. Selbst das Ein- und Ausladen der Pferde erfolgte über normale LKWs mit Plane, wobei die Pferde von der Rampe runter sprangen und auch genauso wieder drauf. Sehr eindrucksvoll! Es gab auch beim Training unterschiedliche Bilder: einige Pferde waren kaum zu bändigen und schon das Aufsitzen sehr schwierig, andere blieben gelassen und ließen sich auch leicht bändigen. Die Ausrüstung bestand überwiegend in deutschen Vielseitigssätteln der Marke Wintec, an Kopfstücken wurden immer Kandaren benutzt.

Tags drauf wollten wir selbst einmal Rahvans auf einem 3-Stunden-Ausritt  testen. Silke bekam einen Tölter mit Trabveranlagung, Verena einen Naturtölter mit Rennpass. Beide Pferde waren gut zu händeln. Aber das lag auch sicher daran, dass Beate sie schon seit Jahren in ihrem Ferienbetrieb einsetzte und die Pferde den Touristenbetrieb in- und auswendig kannten. Asil, Verenas Pferd, war vorher auf der Rennbahn, ließ sich allerdings jetzt nicht mehr auf Männer ein und konnte es auch nicht verputzen, an zweiter Stelle zu laufen. Dafür aber war er absolut leicht zu reiten  und hatte einen schönen weich zu sitzenden Tölt. Der Ritt war ein Genuss und in mir keimte der Wunsch auf, ein solches Pferd zu erwerben (Beate hatte das wahrscheinlich geahnt und mir gleich beim Losreiten gesagt: deeeeeeeeeeeer wird nicht verkauft!). Na schön, aber es gibt ja genug davon!

Für den Donnerstag wollten wir mit Beate in das „Tal der wilden Pferde“. Da auch Beates Feriengäste mitfahren wollten, nahmen wir den Hyundai (wie sich später herausstellte, war das nicht unbedingt die beste Wahl ;-). Das Tal liegt in Richtung Konya im Taurusgebirge und bevor wir das erreichten, kauften wir noch einiges ein: Brot, Orangen, Gewürze, Süßigkeiten (wir haben zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, wozu das noch gut sein sollte).

Das Tal liegt weit ab von der Zivilisation und beherbergt außer den Uzunyalas auch noch die Rinder und Schafherden der Bergbewohner, von denen einige als Hirten während der Weidezeit in selbstgebauten Hütten im Tal wohnen. Die Pferde sind dort auf sich selbst angewiesen und leben ausschließlich von dem, was sie finden. Eine Herde besteht aus 6 – 8 Stuten mit ihren Fohlen, sowie einem Hengst. Während unseres Aufenthaltes konnten wir beobachten, wie zwei Junghengste vergeblich versuchten, dem Herdenchef Stuten abzujagen. Da das Tal keine Zivilisation hatte, weder Strom, noch Funkkontakt, war auch kein Handybetrieb möglich. Damit wurden wir konfrontiert, als unser Hyundai zum zweiten Mal im Morast stecken blieb. Dieses Mal sogar ziemlich aussichtslos. Silke hatte ein paar Kilometer vorher einen weiteren PKW am Rande des Tals gesichtet. Also wurden Beate (wegen der Türkischkenntnisse) und Silke beauftragt, diesen zu suchen und für uns um Hilfe zu bitten. Wir drei anderen legten Steine, Äste, Kiefernzapfen und alles, was uns hilfreich erschien unter die Reifen des Fahrzeugs um mehr Griffigkeit zu gewährleisten. Nach etwa einer Stunde sahen wir am Horizont einen Mopedfahrer auf uns zu halten und uns zu bedeuten, dass noch jemand im Anmarsch sei. Wir hofften wieder. Auch Silke und Beate tauchten wieder auf, jedoch ohne weiteres Fahrzeug. Als sie uns erreichten, sah man an ihren Gesichtern, dass der Auftrag wohl nicht nach Geschmack ausgefallen war. Sie berichteten, dass der andere Wagen noch tiefer im Dreck stecke und das Fahrzeug ebenfalls ein Hyundai Starex sein, das einem der Hirten hier gehöre und schon seit gestern fest sitze. Tja…. Der dazugehörige Hirte war der, den wir mit dem Moped schon kennen gelernt hatten: blond, schlank, blauäugig, ein echter Türke! Dieser half uns aber jetzt, mit unseren Vorarbeiten unseren Hyundai flott zu kriegen, fuhr vor uns her, um die besten Fahrrinnen auszukundschaften und –nachdem wir ihm einen Teil unserer Orangen und unserer Brotvorräte geschenkt hatten, lud er uns auch zum Cay in seine „Behausung“ ein, wo seine Frau uns mit Käse, Brotfladen und Tee bewirtete. Auch sein etwa 1jähriges Kind lebte mit dort. Wir steuerten unsere Süßigkeiten zum Tee mit dazu.  Für das Abendessen kaufte Beate bei dem Hirten noch selbst gesammelte Morcheln. Wir freuten uns jetzt schon darauf.

Der nächste Tag sollte unser letzter in der Türkei werden, wir hatten uns vorgenommen, Kappadokien (laut Hutten-Czapski „Das Land der schönen Pferde“) zu verunsichern und benötigten dazu natürlich türkische Hilfe. Mustafa, Beates Mann, wollte uns begleiten. Ziel der Fahrt: Konya.

Unterwegs nahmen wir noch jemanden aus Nevsehir mit, der ebenfalls mit Pferden zu tun hatte und dessen Stall wir auch besuchten. Auch dort standen Pferde, leider in Löchern, schlecht gemistet, keinerlei Fenster und zusätzlich auch noch wenig Betreuung oder Auslauf.

Der erste, der uns gezeigt wurde, ein türkisches Pferd aus Erzurum (dort soll es die schönsten und besten geben), blieb trotz aller Widrigkeiten gelassen und war gut zu händeln, was nicht bei allen Pferden so blieb. Eins davon wurde nicht einmal vom Besitzer unter Kontrolle gehalten, so dass es ihn am Strick durch den Hof zog. Mustafa bedeutete Silke, das Pferd selbst zu übernehmen. Silke hatte nach Klären der Rangordnung dann keine Probleme. Auch hier wurde oft erwähnt, dass die Pferde meist aus Zuchten aus Erzurum oder Samsung stammten und somit aus den typischen Pferdezuchtgebieten der Türkei. Uzunyalas und Karacabeys sind leider nicht mehr ursprünglich vorhanden, sondern in anderen Rassen „untergegangen“, bzw. ausgestorben.

In Konya trafen wir mehrere Pferdebesitzer mit Rennambitionen, die uns bereitwillig ihre Pferde zeigten und auf unsre Kommentare immer sehr gespannt waren. Dort hatte einer der Eigentümer auch eine Art Paddock für seine Hengste eingerichtet, wo er uns die Pferde vorführte. Zwei davon sollten später gesattelt  und von Silke auch geritten werden. Dass es ausgerechnet ein Dunkelfuchs mit einem Wahnsinns-Temperament sein sollte, den wir zuvor in diesem Paddock fotografiert hatten, war uns erst hinterher bewusst geworden. Bei dem zweiten, einem Schimmel aus Samsung, gab Mustafa noch schnell den Kommentar ab: „Vorsicht, der springt!“ – was dieser Begriff „springt“ bedeuten sollte, war uns unklar. Silke fand aber beide recht angenehm zu reiten, einer mit etwas mehr Ehrgeiz zu siegen, der andere etwas gemächlicher, aber nicht faul. Wir hatten wieder eine Pferde-Erfahrung mehr. Auch türkische Pferde sind in der europäischen Reiterwelt ziemlich unbekannt, zumal sie als Freizeitpferde durchaus tauglich sind und als Schmankerl auch noch den vierten Gang anbieten.

Wir bleiben am Ball… gute Pferde gibt es nicht nur in Europa!